Fritz und Emma Banner

Vor einer Szene hatte ich im Lektorat meines Debütromans unter dem Arbeitstitel „Shadow Box“ besonders Angst. Das lag daran, dass ich im Grunde schon vorher wusste, dass hier was fehlte: Der Tiefgang. Das Drama. Die Emotionen.

Trotzdem hatte ich gehofft, damit durchzukommen. Das Problem war: Ich hatte einfach keine Ahnung, wie ich die Szene ausbauen sollte damit das Gefühl stimmt. Mein innerer Kritiker hat ständig gemeckert, dass alles zu kitschig wird, zu albern, zu … irgendwas. Also habe ich den unangenehmen Teil einfach schnell hinter mich gebracht und abgehakt.

Entsprechend wenig überrascht war ich über den Kommentar meiner Lektorin, die sinngemäß schrieb: Nein, das lasse ich so nicht durchgehen. Das baust du bitte noch aus.

Bloß, wie stelle ich das an?

Wie es der Zufall wollte, kam mir dabei ein Buch zur Hilfe, das ich vor kurzem gelesen habe. „Fritz & Emma“ von Barbara Leciejewski stand schon länger auf meiner Wunschliste. Im vergangenen Jahr hat es beim Lovelybooks-Leserpreis abgeräumt und viele begeisterte Fans gefunden. Mit entsprechend hohen Erwartungen bin ich ans Lesen gegangen.

„Fritz & Emma“ von Barbara Leciejewski

„Fritz & Emma“ ist ein Liebesroman mit gleich zwei Pärchen. Eines im Jahr 2019, das sich schon gefunden hat und um Zusammenhalt ringt. Und eines, das sich vor vielen Jahrzehnten verloren hat, obwohl diese beiden Menschen wie füreinander geschaffen scheinen. Hier der Klappentext:

1947: Emma ist überglücklich, dass ihr geliebter Fritz doch noch aus dem Krieg in ihr Heimatdorf zurückgekehrt ist. Schon lange sind sie ein Paar, nun fiebert Emma der Heirat entgegen. Doch der Krieg hat einen Schatten auf Fritz‘ Seele gelegt, gegen den nicht einmal Emma mit all ihrer Liebe ankommt. Und dann, in der Nacht, die eigentlich die glücklichste ihres Lebens sein sollte, geschieht etwas Schreckliches, das alles verändert.

2018: Marie ist mit ihrem Mann neu nach Oberkirchbach gezogen und lernt nach und nach die Einwohner des Dörfchens kennen. Auch den 92-jährigen griesgrämigen Fritz Draudt und die ebenso alte Emma Jung, die am entgegengesetzten Ende des Dorfes lebt. Marie erfährt, dass die beiden seit fast siebzig Jahren nicht miteinander gesprochen haben. Dabei wollten sie einst heiraten. Marie nimmt sich vor, Fritz und Emma wieder miteinander zu versöhnen, bevor es zu spät ist …

Liebenswerte Figuren, interessante Handlung

Ich habe die Figuren wirklich sehr liebgewonnen. Es waren zwar sehr, sehr viele und anfangs habe ich sie ein bisschen durcheinandergeworfen. Aber das gehörte irgendwie zum Leseerlebnis, denn auch die Hauptfigur Marie kämpft schließlich damit, als „Frau Pfarrer“ alle Leute kennenlernen zu müssen.

Gegen Ende des Buches hatte ich das Gefühl, selbst Teil der Dorfgemeinschaft geworden zu sein. Ich hatte wirklich ein wenig Trennungsschmerz, nach der letzten Seite Oberkirchbach und seine Menschen hinter mir lassen zu müssen.

Die Handlung gestaltete sich ebenfalls interessant und wenig vorhersehbar. Dramatische Plottwists gab es zwar nicht, aber immer wieder kleine Drehungen und Wendungen, die mich gut unterhalten haben. Die Geschichte von Fritz und Emma entfaltete sich nach und nach. Jede Antwort warf neue Fragen auf, die zum Weiterlesen anregten.

Drama, Baby

Was mir fehlte: Der Tiefgang. Das Drama. Die Emotionen.

Rational verstehe ich, was das Traumpärchen Fitz und Emma so nachhaltig zerrüttet hat, dass es über Jahrzehnte nicht mehr miteinander sprechen wollte. Und da ich selbst auf dem Dorf wohne, verstehe ich auch, wie schwierig es sein kann, um ein Gemeinschaftsgefühl zu ringen, wenn die Jungen in die Stadt flüchten und die Alten sich langsam zurückziehen. Wie Alteingesessene und Zugezogene sich gegenseitig etwas suspekt sind. (Ich wohne als Alteingesessene übrigens im Neubaugebiet. Spannende Kombi.)

Emotional ist davon leider nicht so viel angekommen bei mir. Konfliktpotenzial und herzzerreißende Momente hätte es genug gegeben. Sie wurden nur eben nicht vertieft, sondern entweder flüchtig übergangen oder erklärt anstatt sie erlebbar zu machen.

„Show, don’t tell“ lautet hier das Stichwort. Für meinen Geschmack wurden zu viele Emotionen erzählt (tell), anstatt sie zu zeigen (show).

Auch das Ende ging mir deutlich zu glatt. Mir fehlte der Tiefpunkt, an dem alles verloren ist. Der Moment, in dem ich als Leserin denke: „Oje, wie sollen die das denn noch retten?“ Gefühlt lief eigentlich alles wie am Schnürchen. So war das Happy End zwar nett, aber es fühlte sich nicht verdient an.

Fazit

Trotzdem würde ich das Buch als leichte Lektüre für zwischendurch absolut empfehlen. Es hat mich wunderbar unterhalten. Allein, dass ich die 400 Seiten in gerade mal einer Woche verschlugen habe, sagt doch schon alles, oder?

Allerdings würde ich das Buch eher als Buch über das Dorfleben und die Dorfgemeinschaft sehen. Aber eben nicht als Liebesroman, wie es durch den Klappentext suggeriert wird.

Lerneffekt

Mir persönlich hat das Buch aber noch etwas anderes beigebracht: Denn jetzt weiß ich, was genau das Problem war mit meiner Angst-Szene bei Shadow Box. Auch ich hatte versucht, die großen Gefühle zu erklären, anstatt genau an dieser Stelle die Geschwindigkeit rauszunehmen und tief in die Emotionen einzutauchen.

Jetzt nach der Überarbeitung finde ich (und auch die Testleser), die Szene ist tatsächlich besser geworden. Ich weiß aber auch, vor ein paar Monaten beim Schreiben und bei der ersten Überarbeitungsrunde war ich nicht an einem Punkt in meinem Leben, an dem ich mich emotional auf die richtige Stimmung hätte einlassen können.

Und hier schließt sich wieder der Kreis zu „Fritz & Emma“. Ich bin mit bestimmten Erwartungen an dieses Buch gegangen, die nicht erfüllt wurden. Ich denke, wer unvoreingenommen an die Sache herangeht, macht nichts falsch damit, dieses Buch einmal zu probieren.

Kommentar verfassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert