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Leseprobe: Nachtschwarze Dunkelheit – Eliah

Ende Januar erscheint der erste Band meiner Fantasy-Trilogie „Im Schatten des Pantheons“ unter dem Titel „Nachtschwarze Dunkelheit“. Hier findest du eine Leseprobe. Für mehr Infos zum Buch, folge mir auf Instagram: @sarah_lammerding_autorin

Eine Liste aller bisherigen Veröffentlichungen findest du HIER.

Und darum geht es in „NACHTSCHWARZE DUNKELHEIT“:

Isi hasst alles, wofür Zeus und die Götter stehen. Sie will das Pantheonsgebäude niederbrennen, um die unsterbliche Regierung zu entmachten. Oder zumindest wollte sie das mal. Denn seit dem tödlichen Unfall ihrer Eltern ist nichts mehr, wie es war. Nicht einmal dem wichtigsten Menschen in Isis Leben, ihrem Bruder, gelingt es, die Mauer zu seiner Schwester zu überwinden.

Kein Wunder – Isi hat die Schattenkrankheit. In ihren Wahnvorstellungen drängt ein Schattenwesen sie mit seinen düsteren Gedanken immer näher an den Abgrund. Ausgerechnet jetzt zieht Isi auch noch die Aufmerksamkeit eines Unsterblichen im Dienste der Regierung auf sich – Eliah. Und zu ihrer Überraschung sieht er den Schatten auch.


Nachtschwarze Dunkelheit – Kapitel 6

Tipp: Alle Leseproben findest du HIER.

Isi drehte ihre Putzrunde durch die Galerie der zeitlosen Künste heute nachlässiger als sonst. Dafür aber besser gelaunt. Normalerweise ödete es sie an, den mindestens eine Tonne schweren Staubsauger durch die Gänge zu zerren und danach dieselbe Route noch mal mit dem Wischer zu laufen. Da sich kaum Besucher in die Galerie verirrten, stammte das bisschen Dreck sowieso nur von Matti, Jenny und dem Jungen, der vorm Haus Flyer verteilte. Und die Mülleimer waren auch meistens leer.

Isi nahm sich Zeit, die Exponate auf ihrem Weg genauer in Augenschein zu nehmen. Da gab es diese eine Vitrine mit goldenen Ringen, Ketten, Stirn- und Armreifen. An der Rück­wand war ein Spiegel angebracht. Stellte man sich davor, die Arme leicht zur Seite gestreckt, konnte man sein eigenes schmuck­behangenes Spiegelbild betrachten. Eigentlich erstaunlich, dass noch kein Unsterblicher einen Herausgabe­antrag gestellt hatte.

Man sah das doch jeden Tag im Fernsehen. »Ich bin mir sicher«, beteuerte irgendein Unsterblicher mit Unschulds­miene. »Exakt diesen goldenen Armreif im Wert von einer halben Million haben mir die Bewohner in dem einen Dorf, das es heute nicht mehr gibt, vor tausend Jahren geopfert. Also gehört er mir und das hat gar nichts damit zu tun, dass ich pleite bin, weil ich das Konzept von Geldanlage und Alters­vorsorge nicht verstehe.«

Vielleicht benutzten die Unsterblichen nicht genau diese Worte.

In einem anderen Flur hing das Bild eines blonden Jungen, der in einen Apfel biss. Er sah so rundum glücklich aus, dass sich Isi unwillkürlich fragte, welche Drogen er genommen hatte oder ob er Obst tatsächlich so liebte.

Besonders gefiel Isi eine bemalte Terrakottafigur. Auf dem Schild darunter stand: ›Zoomorphes Gefäß. 2750 – 2200 v. Chr. Kykladen (Griechenland).‹ Isi fand, es sah aus wie ein pummeliger Igel mit zu klein geratenem Kopf. Das Tier saß auf seinem breiten Po und mit den Vorderpfoten drückte es sich eine überdimensionierte Schale an die Brust. Die Punkte für die Augen waren so aufgemalt, dass der Igel nach oben schielte. Isi hatte jedes Mal, wenn sie an ihm vorbeikam, den Eindruck, dass er sich ertappt fühlte.

Die Figur war niedlich, jedoch nicht unbedingt kunstfertig. Die Proportionen stimmten nicht und die Pinselstriche auf Brust und Rücken waren ungelenk ausgeführt. Aber wenn Isi genau hinsah, erkannte sie am Boden der Schale einen Finger­abdruck des Künstlers, für die Ewigkeit in den Ton gebrannt. Als wäre gerade dies der Schatz, den der Igel wie einen Edelstein hütete.

Isi hatte keine Ahnung von Kunst. Anders als Jenny hatte sie kein Studium darin absolviert. Doch wer immer diese Figur geformt hatte, war ein Mensch gewesen. Ein durch­schnittlicher Sterblicher mit mittelmäßigem Talent. Er hatte gelebt und war gestorben. Oder vielleicht sie. Wer konnte das Jahrtausende später schon wissen.

Diese eine Figur und der Fingerabdruck hatten bis heute überdauert. Wie ein ausgestreckter Mittelfinger im Angesicht der Unsterblichen.

»Schaut her«, schien er zu sagen. »Ihr seid nicht die einzige Konstante im unaufhörlichen Strom der Zeit. Ihr seid die unumstößlichen Felsen, um die die Wellen tosen. Aber wir sie die Kiesel, die das Flussbett formen. Wir sind der Grund, der euch trägt. Und manchmal wird einer von uns von der Strömung nach oben und durch die Jahrhunderte gespült.«

Dieser Gedanke verschaffte Isi eine seltsame Genugtuung. Schade, dass sie keine Künstlerin geworden war. Nur ein paar Biegungen den Zeitenstrom entlang würde man sie vergessen. Es würde keine Spur geben, die noch Jahrhunderte später davon zeugte, dass sie gelebt hatte.

»Ist auch besser so«, spottete der Schatten.

»Wenigstens bin ich auf Fotos zu sehen und du nicht«, murmelte Isi.

Zwischen den Statuen des sogenannten Pavillon der Begegnung legte Isi eine Pause ein. Ein Kuppeldach aus Glas krönte den achteckigen Anbau. An den meisten Seiten waren abgerundete Fenster in die Wände eingelassen. Aber weil sie zur Straße rausgingen, hatte Matti sie mit milchig weißer Klebefolie abdecken lassen. Wie übergroße Scheinwerfer leuchteten sie ein diffuses Licht auf die dicht gedrängten Marmorgötter.

Zeus’ elegante Gestalt blickte auf einen wenig detailreichen Thor, der dafür wenigstens auf einem Thron saß. Der grie­chische Sonnengott Helios wachte über das Relief des römischen Mithras. Matti hielt es für seinen Beitrag zum politischen Diskurs, die Griechen mit ihren Gegenstücken anderer Kulturen zusammenzubringen.

Im echten Leben konnten die Unsterblichen aus den verschiedenen Regionen der Welt sich nicht besonders gut leiden. Die nordischen erschienen zwar beharrlich im Pan­theon, um den Griechen auf den Wecker zu gehen, hatten im Grunde aber an Einfluss verloren. Die Römer ließen sich bloß zu den wichtigsten Abstimmungen blicken. Wieder andere, etwa die vielen Kelten, Germanen und Slawen, hatten selbst daran kein Interesse. Zeus hatte ein Talent dafür, unliebsame Stimmen zum Schweigen zu bringen.

Eine runde Marmorbank in der Mitte des Raumes lud zum Verweilen und Betrachten der Kunstwerke ein. Schildchen verrieten, in wessen aufpoliertes Ebenbild man gerade blickte. Aber Isi hatte genug aus dem ersten Semester Pantheologie behalten, um die meisten Unsterblichen ohne die Schilder zu erkennen.

»Und, wie ist es, unsterblich zu sein?«, fragte sie laut in den Raum hinein. Wie erwartet, erhielt sie keine Antwort. »Wobei ihr genau genommen ja gar nicht unsterblich seid. Ihr habt bloß einen nahezu stillstehenden Alterungsprozess und seid kaum anfällig für Krankheiten.«

Isi schielte zu der Ecke, in der die Totengötter wachten. Der griechische Hades, die nordische Hel, der slawische Veles. Für normale Menschen wie sie kam das, was die selbsternannten Götter hatten, ziemlich nahe dran an die Unsterblichkeit. Wer unsterblich geboren war, hatte per Gesetz einen Sitz im Pantheon und damit in der Regierung. Die meisten von ihnen wussten das für sich zu nutzen. Auch wenn immer wieder Vorwürfe laut wurden, der eine oder die andere Unsterbliche hänge an seit Jahrhunderten überholten Riten, nutzten die meisten das System auf eher moderne Weise aus. Lobbyarbeit, Veruntreuung von Geldern, Spendenaffären, Steuer­hinter­ziehung …

Der Schatten huschte gelangweilt zwischen den Statuen umher. Seine Rabenschwingen warfen dunkle Flecken auf die reglosen Gesichter.

»Aphrodite hat bestimmt schlimm Zellulitis«, informierte Isi ihn, als er an der Göttin der Schönheit vorbeikam. »Eos und Astraios. Ist sicher wahnsinnig schwierig, die Sonne zum Auf- und Untergehen zu bewegen, wenn einem die Erdrotation dabei hilft«, fügte sie sarkastisch hinzu.

Isi zupfte am Staubsaugerkabel. Es war nicht so, dass irgend­wer sie hetzte. Bloß war das Herumsitzen hier genauso öde wie das Arbeiten.

Der Schatten zischte leise, als er Ares mit seinem Schild und Speer passierte.

»Ja, wie sympathisch kann einer sein, der die Personifikation des Kriegs darstellt«, stimmte Isi ihm zu. »Aber nach Paragraf dreiundachtzig von diesem Gesetz, dessen Namen ich ver­gessen habe, sind sowieso alle im Pantheon unfähig.«

»Hey!«

Isi sprang auf. Verdammt, in diesen Teil der Ausstellung verirrte sich so gut wie nie ein Besucher. Aber sie hatte die Patrouille vergessen, vor der Jenny sie gewarnt hatte.

Sie setzte das schuldbewusste Gesicht auf, das die Uniformierten von normalen Menschen erwarteten. Tat­sächlich fiel ihr das nicht schwer, weil ihre Wangen glühten und sie sich ertappt fühlte.

In der hellblauen Uniform steckte ein Mann, der kaum älter als Isi selbst aussah. Aber die Blauen waren eine von diesen Institu­tionen, die nur Unsterbliche aufnahmen. Also wer konnte schon ahnen, wie alt der Typ wirklich war? Er hatte straßenköterblondes Haar, das wild in alle Richtungen abstand. Isi wertete es als Zeichen, dass er keiner von den recht­haberischen Paragrafenschleudern war. Was wiederum gut war, da sie keine Ahnung hatte, wie viel von ihrem Gespräch mit dem Schatten er belauscht hatte.

»Zeig mir deine ID«, verlangte er.

Isi fischte das Plastikkärtchen aus ihrer Hosentasche und reichte es ihm. Der Wachmann hielt den Ausweis an ein elektro­nisches Gerät. Gleich darauf piepste es und Isis Daten erschienen auf dem Display.

Er rückte das Schwert an seiner Seite zurecht. Die Blauen besaßen altmodische Waffen. Isi hoffte, dass es bloß ein Tick von ihm war, auf dem Knauf herumzutrommeln.

»Arbeitest du hier?«, fragte er eine Spur zu freundlich.

Isi trat nervös von einem Bein aufs andere. Sollte das Gerät ihm das nicht verraten? Stimmte irgendetwas nicht? Hatte Matti vergessen, sie ordnungsgemäß anzumelden?

»Ja?«, antwortete Isi unsicher.

Der Blaue ließ sich Zeit. Seelenruhig scrollte er sich durch die Einträge. In der Zwischenzeit glitt der Schatten zu ihnen herüber und schielte auf das Display. Tadelnd schüttelte er den Kopf.

»Dir geht’s ans Leder, kleine Isi«, urteilte er und lachte gehässig.

Isi hatte keine Ahnung, was der Schatten in ihren Daten hätte lesen können, das sie in Schwierigkeiten brachte. Aber da er sowieso nur in ihrem Kopf lebte, war auch das wohl ein Aus­druck ihrer eigenen Unruhe.

Oder nicht? Isi hätte schwören können, dass der Blaue den Schatten missbilligend musterte. Oder war er Isis Blick gefolgt, der immer wieder ins scheinbar Leere irrte?

»Okay.« Mit einem Pokerface reichte er Isi den Ausweis. Falls er etwas Interessantes gelesen hatte, ließ er es sich nicht an­merken. »In einem der Räume da vorne ist ein Fenster kaputt. Das solltet ihr reparieren lassen.«


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